
Lithium: Epstein-Barr-Virus und Post/Long COVID – Die unterschätzte Gefahr aus dem Hintergrund
Beitrag: Dr. Goran Stojmenovic
Das Epstein-Barr-Virus (EBV), bekannt als Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers, gehört zu den am weitesten verbreiteten Viren weltweit. Rund 90% der erwachsenen Bevölkerung tragen EBV in sich. Doch während es bei vielen Menschen über Jahre oder gar Jahrzehnte latent bleibt, könnte eine Reaktivierung des Virus eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und Verschlimmerung von Post- und Long-COVID-Syndromen spielen.
Wie kommt es zu einer EBV-Reaktivierung?
EBV verbleibt nach der Erstinfektion lebenslang in B-Lymphozyten, einer Art von Immunzellen. Im Normalfall kontrolliert das Immunsystem das Virus effektiv und hält es in einem inaktiven Zustand. Bestimmte Faktoren können jedoch zu einer Reaktivierung führen, darunter:
- Immunsuppression: COVID-19 selbst schwächt bei vielen Betroffenen das Immunsystem, besonders durch die Beeinträchtigung der T-Zell-Funktion. Dieser Zustand schafft eine Angriffsfläche für die Reaktivierung latenter Viren wie EBV.
- Stress und Entzündungen: Die systemische Entzündung, die bei einer COVID-19-Infektion ausgelöst wird, setzt das Immunsystem unter enormen Druck. Chronischer Stress, der durch die Krankheit oder deren Folgen entsteht, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer EBV-Reaktivierung zusätzlich.
- Mitochondriale Dysfunktion: COVID-19 kann die Funktion der Mitochondrien – den “Kraftwerken” unserer Zellen – beeinträchtigen. Da die Mitochondrien eine zentrale Rolle in der Immunabwehr spielen, kann eine Störung ihrer Funktion das Wiederaufflammen des Virus begünstigen.
- Nährstoffmängel: Mikronährstoffe wie Vitamin D, Zink und Selen sind essenziell für die Immunfunktion. Ein Mangel, der häufig nach einer schweren Infektion auftritt, reduziert die Immunüberwachung und erleichtert EBV die Reaktivierung.
Die Auswirkungen von EBV auf die Energieleistung
Eine EBV-Reaktivierung belastet den Körper auf verschiedenen Ebenen und hat weitreichende Folgen für die Energieleistung:
- Chronische Entzündung: EBV produziert Proteine, die entzündliche Prozesse im Körper verstärken. Diese Entzündungen können die Funktion der Mitochondrien weiter beeinträchtigen und die Energieproduktion hemmen.
- Mitochondriale Dysfunktion: EBV kann direkt in die Mitochondrien eindringen und deren DNA sowie Energieproduktion schädigen. Die Folge: Zelluläre Prozesse, die auf ATP (die Energieeinheit der Zelle) angewiesen sind, kommen ins Stocken. Dies erklärt die extreme Erschöpfung und Muskelschwäche, die viele Long-COVID-Patienten beschreiben.
- Immunaktivierung und Energieverbrauch: Die ständige Aktivierung des Immunsystems, um das reaktivierte EBV zu bekämpfen, kostet den Körper enorm viel Energie. Dadurch bleiben für andere körperliche und mentale Prozesse weniger Ressourcen übrig.
- Beeinflussung des Nervensystems: EBV kann Neuroinflammation auslösen, die zu einer Störung des autonomen Nervensystems führt. Symptome wie Brain Fog, Schlafstörungen und kognitive Probleme werden dadurch verstärkt.
EBV und Post/Long COVID: Ein Teufelskreis
Die Wechselwirkung zwischen einer EBV-Reaktivierung und den Auswirkungen von COVID-19 kann einen Teufelskreis schaffen. Die durch COVID-19 geschwächte Immunantwort ermöglicht die Reaktivierung von EBV, während EBV die mitochondriale Dysfunktion und systemische Entzündungen verstärkt. Dies verschlechtert wiederum die Symptome von Long COVID und erschwert die Genesung.
Funktionelle Ansätze zur Behandlung
Die funktionelle Medizin bietet zahlreiche Ansätze, um die EBV-Reaktivierung zu adressieren und die Energieleistung zu verbessern:
- Unterstützung der Immunfunktion: Mikronährstoffe wie Vitamin D, Zink, Selen und Vitamin C sind essenziell, um das Immunsystem zu stärken und die Kontrolle über EBV zurückzugewinnen.
- Entzündungshemmung: Omega-3-Fettsäuren, Curcumin und Resveratrol können helfen, systemische Entzündungen zu reduzieren.
- Mitochondriale Regeneration: Substanzen wie Coenzym Q10, Acetyl-L-Carnitin und NADH können die Funktion der Mitochondrien unterstützen und die Energieproduktion verbessern.
- Stressmanagement: Techniken wie Meditation, Atemübungen und Yoga helfen, das autonome Nervensystem zu beruhigen und den chronischen Stress zu reduzieren.
- Antivirale Unterstützung: Pflanzliche Wirkstoffe wie Astragalus, Olivenblattextrakt und L-Lysin können die Viruslast senken.
- Mikroimmuntherapie: Diese innovative Therapiemethode zielt darauf ab, das Immunsystem gezielt zu modulieren und die Balance zwischen Virusabwehr und Überreaktion wiederherzustellen. Mit speziellen niedrig dosierten Immunbotschaften kann die Mikroimmuntherapie helfen, die EBV-Reaktivierung effektiv einzudämmen.
Messmethoden zur Diagnostik
Ein zentraler Bestandteil der Diagnostik ist der Nachweis einer EBV-Reaktivierung. Hierbei hat sich die Elispot-Methode als eine der sensibelsten und spezifischsten Techniken etabliert. Mit dieser Methode lassen sich aktivierte T-Zellen nachweisen, die auf EBV reagieren, und somit eine akute oder chronische Reaktivierung aufdecken. Ergänzend können serologische Tests wie der Nachweis von EBV-spezifischen Antikörpern (z. B. VCA-IgM, VCA-IgG, EBNA-IgG) eingesetzt werden.
Fazit
Die Rolle des Epstein-Barr-Virus bei Post- und Long-COVID wird oft unterschätzt, könnte jedoch einen entscheidenden Beitrag zur Symptomatik leisten. Eine funktionelle, ganzheitliche Betrachtung ist der Schlüssel, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen und gezielte Therapien zu entwickeln. Wenn Sie oder Ihre Patienten von anhaltender Erschöpfung, kognitiven Problemen oder anderen Langzeitfolgen nach COVID-19 betroffen sind, könnte die Reaktivierung von EBV eine entscheidende Rolle spielen – und eine entsprechende Diagnostik sowie Therapie den Weg zur Besserung ebnen. Eine ausführliche Diagnostik und Therapie erhalten sie in unseren Ausbildungsmodulen.